Elektrische Netze haben selbst keine nennenswerte Speicherkapazität, im Unterschied beispielsweise zu Wärme- oder Gasnetzen. Deshalb ist es für den stabilen Betrieb des Systems erforderlich, dass Erzeugung und Verbrauch, wozu auch das Laden und Entladen von mit dem Netz verbundenen Speichern zählen, zu jeder Zeit im Gleichgewicht sind. In Bezug auf das Netz selbst ist sicherzustellen, dass die Netzspannung und die Auslastung der Betriebsmittel überall im zulässigen Bereich liegen. Da dies nicht von selbst geschieht, sind Mechanismen notwendig, um Abweichungen auszugleichen. Diese können unter dem Begriff „Netzregelung und Systemführung“ zusammengefasst werden.
Langjährig bewährte Konzepte für die Netzregelung müssen an Randbedingungen angepasst werden, die sich in jüngerer Vergangenheit schnell verändern. Diese Änderungen sind unter anderem bedingt durch den weiter zunehmenden Stromhandel, vor allem in Kurzfristmärkten, und den Ausbau der erneuerbaren Energien. Perspektivisch werden weitere Entwicklungen, wie der Trend zur Elektromobilität, die Veränderungen eher noch beschleunigen. Die Folgen sind, unter anderem, höhere Leistungstransporte, größere Entfernungen zwischen Erzeugung und Verbrauch, Verdrängung von Synchronmaschinen und eine hohe Anzahl kleinerer dezentraler Erzeugungsanlagen in unterlagerten Netzen.
Die Modellierung, Simulation und Analyse des dynamischen Verhaltens von Verbundnetzen ist seit fast 40 Jahren fester Bestandteil unserer Forschungsaktivitäten. Das daraus hervorgegangene Simulationswerkzeug POSIM (POwer system SIMulator) ermöglicht uns die Untersuchung von Fragestellungen zur Netzregelung und Systemführung. Je nach Projekt setzen wir auch andere Werkzeuge für die dynamische Modellierung und Simulation ein.
Unsere laufenden Forschungsarbeiten beschäftigen sich u. a. mit folgenden Fragestellungen:
- Untersuchung von Konzepten zur Netzregelung und Systemführung sowie regulatorischer Rahmenbedingungen
- Systemverhalten und –stabilität in Bezug auf die Netzfrequenz, inklusive Netzpendelungen (Inter Area Oscillations) und Spannung bei hohen bis sehr hohen Anteilen von Erzeugern mit Netzanbindung über Leistungselektronik und gleichzeitiger Verdrängung von Synchrongeneratoren
- Auswirkungen aus Gesamtsystemsicht u.a. von
- der Integration erneuerbarer Energien und dezentraler Erzeugung in Bezug auf das stationäre und dynamische Verhalten elektrischer Übertragungs- und Verteilnetze
- Umrichterregelkonzepten, inkl. der Implementierung der Frequenzmessung und der Bestimmung des Netzspannungswinkels
- Vorgaben in Grid-Codes und Netzanschlussbedingungen (z.B. Präqualifikationskriterien für Regelleistung oder Über- und Unterfrequenzverhalten dezentraler Anlagen)
- potentiellen Verbundsystemerweiterungen
- System Splits (Teilnetzbildungen)
- Einsatz neuer Technologien wie Batteriespeicher zur Bereitstellung von Systemdienstleistungen, wie beispielsweise für die Vorhaltung und Erbringung von Regelleistung
- Dynamisches Verhalten von Verbrauchern in Bezug auf Netzfrequenz und -spannung
- Nutzung von dezentralen Flexibilitätspotentialen für den Netzbetrieb
Im Rahmen unserer Forschung sind wir seit den 1980er-Jahren im ETG/GMA Fachausschuss V2.1 „Netzregelung und Systemführung“ aktiv.
Für Untersuchungen im großen Maßstab verwenden wir ein dynamisches Modell des kontinentaleuropäischen Verbundnetzes mit mehr als
Kontakt
Hendrik Lens
Univ.-Prof. Dr.-Ing.Institutsleitung
Leiter der Abteilung Stromerzeugung und Automatisierungstechnik (SuA)
Professor für Kraftwerks- und Netzsysteme