Numerical Simulation of Oxy-fuel Combustion

Dissertation von Simon Leiser
Universität Stuttgart, 2010

Kohle ist nach wie vor ein Hauptprimärenergieträger zur Deckung des wachsenden Energiebedarfs der Menschheit. Trotz der aktuellen Diskussion über Klimaveränderung und Treibhauseffekt zeigen Projektionen, dass die weltweite Nutzung von Kohle in den kommenden Jahrzehnten stark zunehmen wird, hauptsächlich im Zusammenhang mit dem beschleunigten ökonomischen Wachstum einiger Schwellenländer. Damit einhergehend ist die erwartete Steigerung der globalen CO2-Emissionen größtenteils auf die wachsende Kohlenutzung zurückzuführen.

Die primäre Verwendung der Kohle ist die Verstromung in thermischen Kraftwerken, welche große Punktquellen der CO2-Emissionen bilden und daher für potentielle CO2-Emissionsreduktionsmaßnahmen besonders attraktiv erscheinen. Eines der gegenwärtig diskutierten Verfahren zur Emissionsminderung ist der sogenannte „Carbon Capture and Storage“ (CCS) Ansatz. Die Grundidee des CCS-Ansatzes ist das im Verbrennungsprozess gebildete Kohlendioxid abzutrennen und dauerhaft zu speichern, anstatt es in die Atmosphäre zu entlassen. Nebst anderen aktuell untersuchten Verfahrenskonzepten zur CO2-Abtrennung stellt das sogenannte „Oxy-fuel“-Verfahren mit rezirkuliertem Rauchgas eine technisch machbare und ökonomisch sinnvolle Emissionsminderungsmaßnahme dar. Im Oxy-fuel-Prozess, auch O2/CO2-Verbrennungsprozess genannt, wird das Oxidationsmittel Luft durch reinen Sauerstoff ersetzt. Um die so entstehenden hohen Flammentemperaturen zu senken wird Rauchgas rezirkuliert und dem Brennstoff-Sauerstoffgemisch beigemischt. Das im Prozess entstehende Rauchgas besteht im Gegensatz zur konventionellen Verbrennung mit Luft hauptsächlich aus Kohlendioxid und Wasserdampf. Letzterer kann in einem Kondensator abgetrennt werden, so dass im Abgas sehr hohe CO2-Konzentrationen erreicht werden können. Das auf diese Weise gewonnene Kohlendioxid-reiche Abgas kann anschließend komprimiert und geologisch oder ozeanisch gespeichert werden.

In den vergangenen Jahren hat sich die numerische Strömungssimulation („Computational Fluid Dynamics“, CFD) zu einem effizienten und verlässlichen Werkzeug zur industriellen Brennkammersimulation und Optimierung von konventionellen thermischen Kraftwerken entwickelt. Aufgrund der Komplexität der chemisch-physikalischen Vorgänge des Verbrennungsprozesses müssen im allgemeinen vereinfachte Modellannahmen getroffen werden um die benötigte Rechenzeiten zu verkürzen. Daher sind vereinfachte CFD-Modelle auch immer als problemspezifisch anzusehen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Modellkonzept entwickelt, welches weitestgehend generalisiert angelegt ist, um somit die Möglichkeit zu bieten auch für stark unterschiedliche Bedingungen, z.B. Luft- und Oxy-fuel-Verbrennung, angewendet zu werden.

Die Grundlage der numerischen Strömungssimulation ist die Lösung der Erhaltungsgleichungen für (Gesamt-) Masse, Impuls, Energie und Speziesmasse im dreidimensionalen Raum. In Brennkammern müssen zusätzlich Effekte der Turbulenz und des Strahlungswärmeübergangs mathematisch erfasst werden. Speziell in Kohleflammen spielen ebenso homogene wie auch heterogene chemische Reaktionen eine bedeutende Rolle, sowohl für die Brennstoffumsetzung selbst als auch für die Bildung von Stickoxiden. Die verwendeten Teilmodelle zur Beschreibung der Einzelprozesse müssen zum einen die zugrunde liegende Physik und Chemie möglichst korrekt abbilden können, zum anderen aber relativ einfach formuliert sein, um die Berechnungen in auch für die industrielle Praxis vertretbaren Rechenzeiten durchführen zu können. Die im Rahmen dieser Arbeit entwickelten und verwendeten Modelle versuchen beiden Aspekten gerecht zu werden.

Im beschriebenen Zusammenhang spielen insbesondere für den Oxy-fuel-Prozess die chemischen und physikalischen Interaktionen von CO2 sowie die im Vergleich zur Luftverbrennung lokal erhöhten Sauerstoffkonzentrationen eine entscheidende Rolle. Die chemischen Effekte einer hohen Kohlendioxidkonzentration auf die Gasphasenchemie werden mit einem reaktionskinetischen Ansatz beschrieben, welcher reversible Reaktionen betrachtet. Dabei werden die Rückreaktionsraten als Funktionen der Produktkonzentrationen und der Gleichgewichtskonstante der jeweiligen Reaktion bestimmt. Das globale Mehrschrittmodell stellt eine Modifikation des Modells von Jones und Lindstedt dar, welches in seiner originalen Form nicht in der Lage war, die intermediären Spezies CO und H2 korrekt abzubilden. Die Interaktion von Chemie und Turbulenz wird durch das generalisierte „Eddy Dissipation Concept“ (EDC) beschrieben, welches auf der Modellvorstellung basiert, dass der Gesamtraum in vollkommen durchmischte Bereiche („fine structures“) und nicht gemischte Bereiche („surrounding fluid“) aufgeteilt werden kann. Mischungsbedingte, mehrmolekulare Reaktionen können definitionsgemäß nur in den „fine structures“ stattfinden, wohingegen nicht-mischungsbedingte Reaktionen wie z.B. pyrolytische Sekundärreaktionen sowohl in den „fine structures“ als auch im „surrounding fluid“ erfolgen. Aus den entsprechenden Erhaltungsgleichungen lassen sich die mittleren Reaktionsraten der Einzelkomponenten für das betrachtete Gesamtvolumen bestimmen.

Zur Beschreibung der Koksvergasung wurde ein physikalisches Modell entwickelt, welches den maßgeblichen physikalisch-chemischen Vorgängen Rechnung trägt. Das Modell beschreibt die Grenzschichtdiffusion der Reaktanden zur äußeren Kornoberfläche, die Porendiffusion ins Partikelinnere und die heterogene Reaktion auf der Porenoberfläche. Dabei wird zugrunde gelegt, dass die äußere Kornoberfläche im Vergleich zur inneren Porenoberfläche vernachlässigbar klein ist. Im Vergleich zu einfacheren globalen Modellen, welche Porendiffusion und heterogene chemische Reaktion in einer „pseudo-chemischen“ Reaktionsrate zusammenfassen, welche für jede Kokssorte individuell bestimmt werden muss, verwendet das vorgeschlagene allgemeine Vergasungsmodell ausschließlich direkt messbare physikalische Kenngrößen wie die Porenoberfläche und die Koksdichte zur Bestimmung der Koksreaktivität. Durch die Integration eines Porenmodells kann weiterhin die „ Verlöschung“ des Kokses in höheren Ausbrandstadien modelliert werden. Die Modellgleichungen wurden allgemein hergeleitet und auf Vergasungsreaktionen mit Sauerstoff, Kohlendioxid und Wasserdampf angewandt. Insbesondere die Vergasungsreaktionen mit O2 und CO2 sind von sehr großer Bedeutung im Oxy-fuel-Prozess, da der zu verbrennende Koks zum einen in überstöchiometrischen Bereichen erhöhten Sauerstoffkonzentrationen und zum anderen sehr hohen CO2-Konzentrationen ausgesetzt ist. Kinetische Parameter für die beschriebenen Reaktionen wurden aus experimentellen Daten ermittelt.

Auch im O2/CO2 Verbrennungsprozess stellen Stickoxide unerwünschte Nebenprodukte dar, deren Entstehung es zu vermeiden gilt. Im Stickoxidmodell werden die Hauptentstehungsrouten über Brennstoffstickstoff und der thermische NO-Pfad berücksichtigt, wobei ersterer von weitaus größerer Bedeutung ist. Desweiteren werden im Globalmodell Reduktionsreaktionen bereits gebildeter bzw. über das rezirkulierte Rauchgas in die Brennkammer eingebrachter Stickoxide durch reaktive stickstoffhaltige Spezies, Kohlenwasserstoffe und Kohlenstoffoberflächen mit einbezogen. Wie gezeigt wird ist das Stickoxid-Globalmodell sowohl für gestufte als auch ungestufte Kohlenstaubverbrennung anwendbar und vermag innerhalb gewisser Parameterbereiche auch das Verhalten von rezirkuliertem NO zu beschreiben.

Der Einfluss der erhöhten Kohlendioxid- und Wasserdampfkonzentrationen auf den Strahlungswärmeaustausch in Oxy-fuel-Prozessen wird in der vorliegenden Arbeit mittels zweier unterschiedlicher Modelle untersucht, welche der Literatur entnommen wurden. Zum einen wird ein spektrales Verfahren, welches von Ströhle vorgestellt wurde und auf der Kombination des „ Exponential-Wide-Band-Models“ mit der sogenannten „Correlated-k-Method“ basiert, verwendet. Das Modell diskretisiert zusätzlich zur räumlichen Diskretisierung das Wellenzahlspektrum in vier Spektralbereiche, in denen jeweils die Strahlungstransportgleichung gelöst wird. Das zweite eingesetzte Verfahren, welches auf Korrelationen von Leckner zur Berechnung der Gesamtemissivität von CO2/H2O-Gemischen beruht, vernachlässigt die spektrale Natur der thermischen Wärmestrahlung und dementsprechend entfällt die zusätzliche Diskretisierung des Wellenzahlspektrums. Letztere Vereinfachung hat bezüglich der benötigten Rechenzeit entscheidende Vorteile gegenüber der spektralen Betrachtung. Beide Modelle sind nicht wie das häufig verwendete „ Weighted-Sum-of-Grey-Gases-Model“ auf vordefinierte Partialdruckverhältnisse von CO2 und H2O beschränkt und können daher für verschiedene Verfahrensweisen eingesetzt werden. Die unterschiedlichen Modellansätze werden anhand von Vergleichen mit Messwerten evaluiert.

Zur Validierung des vorgeschlagenen Gesamtmodells wurden zwei Verbrennungsversuchsanlagen unter unterschiedlichen Betriebszuständen simuliert.
Zum einen wurde eine Propan-gefeuerte Brennkammer im Oxy-fuel-Betrieb mit rezirkuliertem Rauchgas modelliert. Anhand von Vergleichen der gemessenen Konzentrations- und Temperaturverläufe mit Simulationsergebnissen konnte die Gültigkeit des vorgeschlagenen Gasphasenreaktionsmodells gezeigt werden, wenn auch örtlich deutliche Diskrepanzen auftraten. Gegenüberstellungen von gemessenen und simulierten Strahlungsintensitätsprofilen lieferten teilweise kontroverse Ergebnisse, ließen aber darauf schließen, daß beide untersuchten Verfahren für die numerische Simulation des Strahlungswärmeübergangs unter Oxy-fuel-Bedingungen anwendbar sind. Aufgrund des deutlich geringeren Rechenzeitaufwandes wird die Verwendung des Modells von Leckner empfohlen.
In Simulationsrechnungen einer weiteren Versuchsanlage wurde die Vorhersagegenauigkeit des Kohlenstaubverbrennungsmodells anhand von Vergleichen mit experimentell ermittelten Speziesprofilen überprüft. Zwei verschiedene Kohlen unter unterschiedlichen Brennkammerbedingungen (Luft- und Oxy-fuel-Verbrennung, gestuft und ungestuft) wurden untersucht. In den Fällen der ungestuften Verbrennung konnte eine zufriedenstellende qualitative und quantitative übereinstimmung erzielt werden, sowohl für die Luft- als auch für die Oxy-fuel-Verbrennungsvariante. Das Modell ist in der Lage die verminderte Verbrennungsgeschwindigkeit, und die damit einhergehenden erhöhten CO-Konzentrationen im Oxy-fuel-Fall, zu reproduzieren. Die Simulationsergebnisse der gestuften Oxy-fuel-Verbrennung zeigen die korrekten qualitativen Trends, jedoch ist die quantitative Vorhersagegenauigkeit im Vergleich zu den ungestuften Testfällen reduziert. Die gemessenen NO-Emissionen konnten in fast allen Fällen zuverlässig vorhergesagt werden. Einzig in Situationen der gestuften Oxy-Fuel-Verbrennung, in denen hohe NO-Konzentrationen in die Brennkammer eingedüst wurden, wurde die NO-Reduktion nicht korrekt wiedergegeben.

Da das Oxy-fuel-Verfahren mit rezirkuliertem Rauchgas noch Gegenstand aktueller Forschung ist, existieren keine Betriebsdaten großindustrieller Kraftwerksbrennkammern, welche zur Validierung herangezogen werden konnten. Um dennoch die Anwendbarkeit des Modells im Großkraftwerksmaßstab und die Unterschiede zwischen Luft- und Oxy-fuel-Betrieb zu demonstrieren, wurden Vergleichsrechnungen einer Referenzkohlenstaubfeuerung in beiden Betriebszuständen durchgeführt. Bedingt durch einen hohen Vektorisierungsgrad des Gesamtmodells von 99,7 % konnten Simulationsergebnisse des Kessels mit ca. 6,5 Millionen Gitterzellen auf einem NEC SX8 Vektorcomputerknoten in weniger als 14 Stunden realisiert werden. Die Ergebnisse zeigen deutlich die Unterschiede zwischen Luft- und Oxy-fuel-Verbrennung im Hinblick auf Verbrennungsgeschwindigkeit und Wärmeübertragung. Basierend auf den Simulationsrechnungen kann gefolgert werden, dass bei entsprechender Anpassung der Rezirkulationsrate im Oxy-Fuel-Fall ähnliche Wärmeübertragungsprofile wie im Luftfall bei gleichzeitig hohem Verbrennungswirkungsgrad erreicht werden können.

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