Entwurf eines erweiterten Blockführungskonzeptes für kombinierte Gas- und Dampfkraftwerke auf Basis einer flachheitsbasierten Steuerung

Dissertation von Lutz Hanel
Universität Stuttgart, 2016

Die zunehmende Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien hat weitreichende Konsequenzen für das gesamte elektrische Energieversorgungssystem. Insbesondere müssen konventionelle Kraftwerke aufgrund der zunehmenden Schwankungen der Residuallast deutlich flexibler betrieben werden als bisher. Die Flexibilisierung des Betriebs umfasst vielerlei Aspekte, wobei schnelle und präzise Leistungsänderungen eine der wesentlichen Anforderungen ist. In dieser Arbeit liegt der Fokus auf kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken, da diese Kraftwerke aufgrund hoher Wirkungsgrade und geringer spezifischer Emissionen weltweit vielfach eingesetzt werden.

Um sowohl Bestands- als auch Neubauanlagen flexibler betreiben zu können, kommt eine Reihe von Maßnahmen in Frage. Leittechnische Maßnahmen, wie das in dieser Arbeit untersuchte erweiterte Blockführungskonzept, haben den Vorteil vergleichsweise geringer Kosten im Vergleich zu baulichen Maßnahmen sowie einer schnellen Umsetzung und sicheren Inbetriebnahme. Das erweiterte Blockführungskonzept verfolgt das Ziel, schnelle und präzise Leistungsänderungen zu ermöglichen. Gleichzeitig soll ein möglichst ruhiger und schonender Betrieb der Gesamtanlage sichergestellt werden, insbesondere sollen möglichst wenig Störungen in unterlagerten Regelkreisen angeregt werden. Da aus regelungstechnischer Perspektive Arbeitspunktänderungen wie Lastwechsel zu den Aufgaben einer Steuerung gehören, wird die bestehende Regelung in dieser Arbeit um einen Steuerzweig ergänzt. Dieser besteht aus zwei wesentlichen Komponenten:

Kern des Steuerzweiges ist eine modellbasierte Steuerung nach dem flachheitsbasierten Ansatz. Das über das Steuerungsentwurfsmodell einfließende Prozesswissen wird genutzt, um Stellsignale zu berechnen, die auf die Prozessdynamik abgestimmt sind. Dies führt zu besserem Prozessverhalten, Lastwechsel können gegebenenfalls schneller gefahren werden und die Regelung wird entlastet. Darüber hinaus werden alle Stellgrößen ideal aufeinander abgestimmt. Dadurch wird der Tatsache Rechnung getragen, dass es sich um ein Mehrgrößensystem handelt, bei dem sich diverse Prozessgrößen gegenseitig beeinflussen. Die Folge ist eine ruhigere Fahrweise der Anlage.

Die zweite zentrale Komponente, die in engem Zusammenhang mit der Steuerung steht, ist eine neuartige Sollwertführung. Die Sollwertführung hat die Aufgabe, aus Zielwertvorgaben für die Leistung geeignete Sollwertverläufe zu bestimmen. Um auch hierbei die Prozessdynamik berücksichtigen zu können, sind Ansatzfunktionen notwendig, die entsprechende Freiheitsgrade bieten. Gleichzeitig müssen gewisse Randbedingungen durch den Steueralgorithmus eingehalten werden. Beides wird durch den Einsatz von sogenannten Bézierkurven gewährleistet, zudem zeichnen sich diese durch einfache Konstruktions-vorschriften und numerische Stabilität aus.

Das erweiterte Blockführungskonzept wird im Rahmen dieser Arbeit detailliert vorgestellt und in Simulationen an einem nichtlinearen Anlagenmodell getestet. In diesem Zusammenhang wird insbesondere der Vergleich zum klassischen Blockführungskonzept nach dem Stand der Technik hervorgehoben. Darüber hinaus wird der Einfluss der Sollwertführung detailliert untersucht. Hierzu gehört sowohl die Berechnung optimaler Sollwertverläufe als auch die Erweiterung um eine prädiktive Online-Sollwertführung zur Bereitstellung von sogenannter Sekundärregelleistung. Die Simulationsergebnisse zeigen die erwarteten deutlichen Verbesserungen des Regelverhaltens der Anlage, gleichzeitig kann durch eine geeignete Sollwertführung der Stellaufwand positiv beeinflusst werden.

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