Neuronale Netzmodellierungen von aktuellen und zukünftigen PM10-Konzentrationen in Stadtgebieten, basierend auf Messergebnissen

Dissertation von Keng Been Ang
Universität Stuttgart, 2010

Luftreinhaltung ist einerseits erforderlich, um die Situation weiterer Verschlechterung auf lange Sicht hin zu verhindern, andererseits sind auch Vorhersagen notwendig, um während Feinstaub-Episoden präventive Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität ergreifen zu können.

In den letzten zehn Jahren sind neuronale Netzmodelle in der Luftreinhaltung ein effizientes Instrument zur Feststellung der räumlichen und zeitlichen Variabilität der Luftverunreinigung geworden. Eine der wichtigsten Eigenschaften von neuronalen Netzmodellen ist ihre Fähigkeit gelernte Sachverhalte zu verallgemeinern und darauf basierend, neue Situationen zu simulieren oder zu prognostizieren. Ein Anwendungsfall des neuronalen Netzwerks in der Luftreinhaltung kann darin bestehen, dass Messdaten als Eingangsparameter verwendet werden und sich Schadstoffkonzentrationen als Ausgangsparameter ergeben.

Ziel dieser Arbeit ist die simulative Bestimmung der PM10-Konzentrationen in Stuttgart auf Basis von Tageswerten, mit Hilfe von zwei unterschiedlichen Modellen, die für diesen Zweck entwickelt wurden. Die beiden entwickelten Modelle sind ein PM10-Nowcasting-Modell und ein PM10-Forecasting-Modell.

Um eine gründliche und aufschlussreiche Bewertung der modellierten PM10-Konzentrationen durchführen zu können, mussten mehrere Leistungsindikatoren für das PM10-Nowcasting-Modell und das PM10-Forecasting-Modell festgelegt und ausgewertet werden. Die Leistungsindikatoren sind der Fractional-Bias, der Grad der Übereinstimmung, das Quadrat des Korrelationskoeffizienten, der mittlere absolute Fehler, der mittlere quadratische Fehler und die mittlere quadratische Abweichung. Um die Anzahl der täglichen PM10-Überschreitungen bestimmen zu können, mussten zusätzliche Leistungsgrade berücksichtigt werden. Für die beiden Modelle wurden auch eingehende Analysen der Restfehler und Quantil-Quantil-Plots zur Identifizierung von möglichen Ausreißern durchgeführt, um eine Verbesserung der modellierten Ergebnisse zu erlangen.

Als Anwendungsfall für das PM10-Nowcasting-Modell wurden Untersuchungen herangezogen, die am Stuttgarter Neckartor durchgeführt wurden. Von November 2006 bis März 2007 wurden in der Umgebung der Luftmessstation am Neckartor die Straßen gereinigt. Dies galt als mögliche Maßnahme gegen hohe Feinstaubkonzentrationen im Bereich dieser Messstation. Basierend auf den Ergebnissen von Einzelpartikelanalysen, der Messungen von PM- und NOX-Konzentrationen sollte eine Reduktion der PM10-Konzentrationen in der Außenluft nachweisen werden. Allerdings war eine quantitative Auswertung über die Wirkung der Straßenreinigung anhand der Messergebnisse nicht möglich, da durch die meteorologischen Einflüsse und u.U. durch weitere Parameter überlagert wurden. Das neuronale Netzwerk bietet jedoch den Vorteil, dass die PM10-Konzentrationen als Funktion der meteorologischen Einflüsse simuliert werden können. Das PM10-Nowcasting-Modell wurde somit als ein Instrument zur Ergänzung von Immissionsmessungen entwickelt. Das Ziel des entwickelten Modells ist, die PM10-Konzentrationen am Stuttgarter Neckartor zu simulieren, für den Fall dass keine Straßenreinigungsaktivitäten stattgefunden haben. Der Nachweis der Wirkung der Straßenreinigung wird dadurch geführt, dass die Differenzen zwischen den modellierten PM10-Konzentrationen (ohne Straßenreinigung) und den entsprechenden gemessenen PM10-Konzentrationen (mit Straßenreinigung) bestimmt werden. Basierend auf den ausführlichen statistischen Analysen konnte die Leistungsfähigkeit des entwickelten PM10-Nowcasting-Modells festgestellt werden. Somit konnten mit dem Modell die PM10-Konzentrationen auf Basis von Tageswerten für den Zeitraum von mehreren Jahren (Januar 2004 bis Oktober 2006) am Stuttgarter Neckartor simulativ bestimmt werden. Anschließend wurde das PM10-Forecasting-Modell eingesetzt, um die PM10-Konzentrationen während der Straßenreinigung zu simulieren. Die Ergebnisse aus der linearen Regressionsanalyse, die einen Vergleich zwischen den modellierten PM10-Konzentrationen und den gemessenen Werten erlauben, zeigen, dass die gemessenen PM10-Werte im Allgemeinen etwa 4 % niedriger als die modellierten Werte waren, was auf einen Effekt der Straßenreinigung hindeutet. Dieser Trend war allerdings nicht an allen Straßenreinigungstagen zu beobachten.

Im Gegensatz dazu wurde das PM10-Forecasting-Modell entwickelt, um die täglichen PM10-Konzentrationen für die folgenden drei Tage in zwei städtischen Gebieten in Stuttgart mit unterschiedlichen Eigenschaften vorherzusagen. Der erste Messort repräsentierte ein verkehrsreiches Gebiet, wohingegen der zweite Messort städtischen Hintergrundkonzentrationen widerspiegelt. Die Eingangsparameter für die Simulation bestanden zum einen aus Messdaten von zwei Luftmessstationen, die Messstation am Neckartor (verkehrsreich) und die Messstation Bad Cannstatt (städtischer Hintergrund). Zum anderen wurden meteorologische Daten aus Wettervorhersagen für die folgenden drei Tage verwendet. Diese stammen aus einem Numerischen Mesoskaligen Modell. Das PM10-Forecasting-Modell liefert statistisch gesicherte Ergebnisse für Vorhersagen von PM10-Konzentrationen für die folgenden drei Tage, sowohl für das verkehrsreiche Gebiet als auch für das städtische Gebiet mit Hintergrundkonzentration. Allerdings sind Abstriche bei der Genauigkeit der simulierten Werte im Echtzeitbetrieb hinzunehmen, da die Wettervorhersagen nicht immer den auftretenden Wetterbedingungen entsprechen. Daher ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Vorhersage von PM10-Konzentrationen die Verfügbarkeit von präzisen Wettervorhersagedaten, da die Qualität der PM10-Vorhersagen stark von diesen Parametern abhängt.

Bei der Simulation von PM10-Episoden mit hohen PM10-Konzentrationen traten sowohl mit dem Modell zum PM10-Nowcasting als auch mit dem PM10-Forecasting-Modell Probleme auf. Vom mathematischen Aspekt her könnte die Tatsache eine Rolle spielen, dass die neuronalen Netzmodelle nur auf Konzentrationsbereiche angewendet werden dürfen, die während des Trainierens der Modelle vorlagen, aber nicht auf Konzentrationsbereiche extrapoliert werden dürfen, die nicht trainiert werden. Vom wissenschaftlichen Aspekt her könnte eine Unterschätzung der PM10-Konzentrationen da durch erklärt werden, dass durch die Zusatzbelastung bei PM10-Episoden deren Quellen nicht genau von den Eingangsparametern beschrieben werden können und daher nicht ausreichend genau simuliert werden können. Die drei Arten von PM10-Episoden sind: Inversionswetterlagen während der kalten Jahreszeit, Feuerwerke und Feinstaub aus Ferntransport.

Eine allgemeine Schlussfolgerung ist, dass neuronale Netzmodelle für Anwendungen im Rahmen der Modellierung von PM10-Konzentrationen in städtischen Gebieten eingesetzt werden können. Allerdings haben diese Modelle auch Einschränkungen, z.B. sind die entwickelten Modelle gebietspezifisch. Trotzdem kann festgehalten werden, dass bestimmte Sachverhalte und Zusammenhänge vom Modell korrekt abgebildet werden, wenn diese in einem vorher erzeugten und statistisch geprüfen Datensatz, mit dem das neuronale Netzmodell traniert wird, enthalten waren.
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