Analyse von Netzpendelungen im kontinentaleuropäischen Verbundsystem

Dissertation von Joachim Lehner
Universität Stuttgart, 2013

Sogenannte Netzpendelungen treten seit dem Beginn der Zusammenschaltung elektrischer Übertragungsnetze in Europa zu Verbundsystemen auf. Infolge einer Anregung des Systems äußern sich diese elektromechanischen Schwingungen in Form von Frequenz- und Leistungspendelungen mit charakteristischer Periodendauer und Dämpfung. Zur Gewährleistung eines sicheren und stabilen Netzbetriebs müssen Netzpendelungen ausreichend gedämpft sein. Veränderungen im Verbundsystem, wie die Erweiterung um Netzbereiche, aber auch eine zunehmende Auslastung der Übertragungsnetze wirken sich deutlich auf das Verhalten von Netzpendelungen aus.

Bislang erfolgte die Analyse von Netzpendelungen meist ausschließlich durch Simulationen im Zeit- und Frequenzbereich auf Basis von detaillierten Verbundnetzmodellen. Zur Validierung der Simulationsmodelle sind zeitsynchronisierte, zeitlich hochaufgelöste Messungen im gesamten Verbundsystem unerlässlich. Die Beschaffung geeigneter Messdaten erweist sich in einem Verbundsystem mit aktuell 33 Regelzonen als äußerst schwierig. Daher wurde am Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik (IFK) ein verbundnetzweites Frequenzmesssystem aufgebaut. Damit stehen hochaufgelöste, zeitsynchronisierte Messdaten zur Validierung der Simulationsmodelle sowie zur messdatenbasierten Analyse zur Verfügung.

In der vorliegenden Arbeit werden Netzpendelungen im Kontinentaleuropäischen Verbundsystem analysiert. Die verwendete messdatenbasierte Methode baut auf der Wavelet-Transformation und der Random-Decrement-Technik auf und wird um eine Methodik zur Bestimmung der Schwingungsform ergänzt. Mit der Modalanalyse, auf Basis eines detaillierten Netzmodells, wird zudem eine modellbasierte Methode angewendet.

Mithilfe der messdatenbasierten Methode konnte die Periodendauer der dominanten Eigenschwingungen inklusive ihrer Schwingungsform identifiziert und geografisch zugeordnet werden. Infolge der Erweiterung des Verbundsystems um die Türkei konnte eine deutliche Verschiebung der dominanten Eigenschwingungen hin zu höheren Periodendauern aufgezeigt werden. Darüber hinaus konnte während der Erweiterungstests um das libysche Netz im April 2010 eine deutliche Veränderung des Systemverhaltens beobachtet werden. Dabei konnte insbesondere eine dominante Eigenschwingung mit hoher Periodendauer und schwacher Dämpfung beobachtet werden.

Durch die Langzeitanalyse der Periodendauer der im Kontinentaleuropäischen Verbundsystem dominanten Eigenschwingungen kann eine eindeutige Charakteristik im Tages-, Wochen- sowie Jahresverlauf aufgezeigt werden. Dabei kann eine hohe Korrelation zwischen der Periodendauer und der Netzlast nachgewiesen werden. Ein charakteristischer Verlauf der Dämpfung hat sich hingegen nicht gezeigt. Allerdings kann eine im Mittel deutlich geringere Dämpfung in den Wintermonaten nachgewiesen werden.

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